Das Wendekind und die ostdeutsche Seele

Ich wurde 1984 in Freiberg in der ehemaligen DDR geboren. Ich erlebte die Wende als Kind und hatte noch keine Ahnung das dieses Ereignis eines der kulturell prägensten werden sollte. Als meine Eltern sich trennten zogen wir 1992 „in den Westen“ wie wir drüben zu sagen pflegten. Ein Begriff der Neid und Abscheu gleichermaßen ausdrückte.

„Im Westen“ lernte ich schnell, dass man mit einem Akzent aus dem Erzgebirge als Sonderling galt, weshalb ich meine Sprache sehr schnell anpasste, so dass man meine „Herkunft“ nicht mehr hören konnte. In der achten Klasse fuhren wir in den Ostharz auf Klassenfahrt und ich spürte das erste Mal wie sich westdeutsche Überheblichkeit in dummen Teenagersprüchen entladen kann. Ich bekam eine Idee davon wie Menschen mit Migrationshintergrund sich fühlen mussten, wenn sie sich rassistischen Ressentiments ausgesetzt sahen. 

Der Großteil meiner Familie lebte in Sachsen, direkt an der tschechischen und der polnischen Grenze, also lebte ich gefühlt in zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Mit der Zeit sah ich meine ostdeutsche Heimat mit dem gleichen Blick, der mich als Jugendlicher so sehr verletzt hatte. 

Probleme mit Fremdenfeindlichkeit, Nationalsozialismus, Provinzialismus und ostdeutsche Opfermentalität sah ich ganz klar als Problem was mich nicht kalt ließ. Auf der anderen Seite, hatte ich auch Empathie für meine Landsleute, die es nach der Wende nicht leicht hatten. Landflucht, kaum signifikante Industrie, der Ausverkauf der Wirtschaft und Hoffnungslosigeit die ihren Tribut forderten. 

Ich habe sehr viele Songs geschrieben um das zum Ausdruck zu bringen was ich fühle wenn ich an meine alte Heimat denke. Mein neuer Song „cover up“, der am 29.09. erscheint, greift das Thema auf. Meine Liebe zu meiner Heimat fühlt sich so an wie die zu einer Ex-Freundin, deren Namen man sich in jugendlichem Leichtsinn auf die Haut tätowiert hatte. 

Es ist eine Liebeserklärung an das so sehr Vertraute mit dem man aber auch irgendwann abschließen musste, es einen aber dennoch unter dem „cover up“ weiterhin unsichtbar begleitet.

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